Der Fischladen - Beste Direktvermarktung 2013
‚Der Fischladen‘, Vilshofen

‚Der Fischladen‘, Vilshofen

„Man glaubt, man sei beim Juwelier“

‚Der Fischladen‘ im niederbayerischen Vilshofen ist ein kleiner Hingucker. Noch vor vier Jahren vermarktete die Familie Wagner ihren Donaufisch traditionell – eine Klingel an der Tür, eine Hütte auf Volksfesten. Heute steht auf den Festen ein stilvoller Anhänger, das Ladendesign ist 21. Jahrhundert und im Gastrozelt wird ein breites Backfischsortiment serviert – die Fischerei hat „ein Gesicht erhalten“.

Das Außenthermometer zeigt an diesem Freitag Anfang Dezember -8 ºC. Ein dünner Schneeflaum überzieht die Ufer der Vils, jenes kleinen Nebenflusses der Donau, nach der die Stadt Vilshofen ihren Namen trägt. 200 Meter von der Vilsmündung in die Donau, in der Fischerzeile 5, wohnt die Familie Heinrich Wagner, die letzten Vollerwerbsfischer. Heute morgen ist der Außenborder der Zille eingefroren. Also rudern die drei Männer den flachbodigen Kahn, so wie es Generationen von Fischern hier in Vils und Donau getan haben. Bei der Fischerei erhält Heinrich Wagner (* 1970) Unterstützung von seinem Vater Max (* 1946) und dem Onkel Heinrich Wagner, einem Namensvetter. 16 Flusskilometer Donau bewirtschaften die Wagners, doch an diesem Morgen werden nur ein paar Netze am Unterlauf der Vils kontrolliert. In den Netzen hängt heute mehr Herbstlaub als Fisch, die Ausbeute ist übersichtlich: eine Echte Nase, eine Blaunase, ein Rotauge – alles Weißfische, die nicht in der Theke verkauft, sondern nur verarbeitet werden, erklärt Heinrich Wagner. Doch die Donau gibt auch anderes her: Aal, Barsch, Wels und Zander, zahlreiche andere Weißfischarten, auch wenn die Fangmengen seit Jahren rückläufig sind. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: wie andernsort auch reduziert die extreme Vermehrung des Kormorans die Bestände, auch das Auftreten der Schwarzmeergrundel, der stärker gewordene Wellenschlag der wachsenden Donausschifffahrt ruiniert Laich und Jungfische und durch die Staustufen in vielen Abschnitten des Flusses sind Laichplätze verschwunden oder unbrauchbar.

„Der Fischerei ein Gesicht verpasst“

‚Der Fischladen‘, Vilshofen
Schwerpunkt heimische Fische: neben Aal, Flussbarsch, Hecht, Waller und Zander sowie gut zehn verschiedenen Weißfischarten aus der Donaufischerei werden Forellen und Karpfen aus eigenen Teichen angeboten, außerdem Elsässer Saibling.
So romantisch die Fischerzeile in Vilshofen anmutet – das traditionelle Geschäft könnte heute die Familie kaum mehr nähren. „Die Leute haben hinter dem Ofen gesessen und gewartet, bis jemand Fisch kauft, und gejammert: „Heute geht aber nichts“, beschreibt Heinrich Wagner die klassische Direktvermarktung mit Klingel an der Haustür. Ergo: nach der Prüfung zum Fischwirtschaftsmeister in Starnberg wechselte er zunächst für 13 Jahre in den Fleischgroßhandel. Vor vier Jahren folgte die Wende. Ab Ostern 2009 investierten Heinrich Wagner und seine Frau Michaela 300.000 Euro in ein innovatives Projekt – „Der Fischladen“. „Wir haben der Fischerei ein Gesicht verpasst, ein Gesicht nach außen“, beschreibt es der Fischhändler, der sich selbst als kreativer Vermarkter versteht, aus dessen Feder auch das Firmenlogo stammt. Das moderne Design und Ambiente des neuen Fischladens brachten den Fischereibetrieb der Familie ins Gespräch: „Dann hieß es: Wenn man beim Wagner Fisch kauft, glaubt man, man sei beim Juwelier.“ Das erste Jahr habe der Laden davon zehren können: „Das müsst Ihr sehen, das gibt es so in der Kombination nicht.“

Ein Laden vom TV-Bühnenbauer

Den Wagners war klar: „Mit einem weiß gefliesten Laden locken wir niemanden in die Fischerzeile.“ Das Ergebnis ist eine Verbindung von Tradition und Moderne. So klein der Verkaufsraum mit seinen 23 Quadratmetern ist, so sensibel durchdacht ist er gestaltet. Die gut vier Meter lange Edelstahltheke im Zentrum besitzt eine Frontverkleidung aus gebeizter und lackierter Eiche, mit der auch der Kühl- und der Frostschrank furniert sind. Die Naturstein-Nachbildung der Thekenrückwand liegt aus Hygienegründen – da direkt am Nassbereich – hinter einer Glasscheibe. Die regalartigen Lebensmitteldisplays aus Echtholz sind in der Wand versenkt, damit sie nicht auftragen, dahinter befinden sich Spiegel zur raumoptischen Vergrößerung, Lampen im Display beleuchten Gewürze und Weine. Auch die Ladendeckenbeleuchtung erfolgt indirekt. Auf einem Flachbildschirm hinter der Theke läuft der Dokumentarfilm „Deep Blue“ – als Stimmungsmacher und um Kunden eine eventuelle Wartezeit zu verkürzen. Verantwortlich für den Ladenbau zeichnet Holztechnik Waldbauer aus Büchelberg (Landkreis Passau), die auch für Fernsehsender Bühnen konzipiert, beispielsweise das ‚Aktuelle Sportstudio‘, ‚Schubeck‘s Kochshow‘ oder die Kulissen für „Wetten, dass ... ?“-Shows gebaut hat. „Ein Unternehmen, das fürs Fernsehen arbeitet, muss schon am Puls der Zeit sein“, hatte sich Heinrich Wagner gedacht – und tatsächlich blieb der erwünschte „Wow!“-Effekt in der Kundschaft nicht aus. Die Kehrseite: „Das dürften so ziemlich die teuersten 23 Quadratmeter im Landkreis Passau sein – nach der Radiologie ...“.

Auch technisch besitzt der Laden einen hohen Stand. Unter dem Boden vor der Theke befindet sich eine Fußbodenheizung. Die Raumbelüftung für die 23 Quadratmeter habe die Kapazität „von einem ganzen Einfamilienhaus“. Eine Absauganlage unter der Theke gewährleiste, dass es im Eventualfall auch von dort nicht rieche. Optimierungsbedarf sieht Heinrich Wagner bei der alten Kühlanlage, die mittelfristig durch eine um 50 Prozent effizientere Anlage ersetzt werden solle. Denn über die Abwärme einer modernen Kühlung könnten das eigene Wohnhaus und das benachbarte der Eltern beheizt werden.

Alleinstellung: Lebende regionale Arten und Seefisch

Eine Alleinstellung in der Region besitzt auch das Sortiment. ‚Der Fischladen‘ vermarktet eine Kombination aus lebend gehälterten Fluss- und Teichfischen, Räucherfisch aus dem eigenen Ofen sowie Frischfisch und Feinkostsalaten vom Großhändler. „Ein ganz schöner Aufwand, den wir für vergleichsweise wenig Umsatz betreiben“, denkt Wagner gleichsam laut insbesondere mit Blick auf die fünf Becken der Lebendhälterung im Hintergebäude. Doch letztendlich ist es die Hälterung als Sinnbild für die absolute Frische, die das Image des Geschäfts ausmacht: „Der Kunde sucht sich den Fisch persönlich aus, dann wird er geschlachtet und ist binnen fünf Minuten vorne auf der Theke.“ Und das – die regionale Herkunft und die frische Schlachtung – sei beispielsweise auch mehr wert als ein teures MSC-Siegel: „Die Zertifizierung einer Fluss- oder Seenfischerei würde 25.000,- bis 50.000,- Euro für fünf Jahre kosten. Unsere Stammkunden wissen eh, wo unser Fisch herkommt. Da richte ich mir für das Geld lieber ein schönes Restaurant ein.“

20 Fischarten lebend

Rund 20 Fischarten werden lebend angeboten. Neben Aal, Flussbarsch, Hecht, Waller und Zander sowie gut zehn verschiedenen Weißfischarten aus der Donaufischerei sind es Forellen und Karpfen aus eigenen Teichen auf drei Hektar Fläche, außerdem Elsässer Saibling und frische Austern. Doch insbesondere für die Donaufische bestehe ein Nachfrage-Überhang: „Der Fisch ist teilweise verkauft, bevor wir ihn gefangen haben. Wir kaufen sogar noch zu, etwa bei Otto Maier in Frengkofen.“ Für den Zander beispielsweise werde eine Kundentelefonliste geführt. Zugekauft wird auch Frischfisch, insbesondere Meeresfisch, ein Teil auf Kundenbestellung, ein Teil für den freien Verkauf: zweimal die Woche – Mittwoch und Freitag – liefert Deutsche See ein wöchentlich wechselndes Grundsortiment. Dazu zählen Konsumfischfilets von Seelachs, Kabeljau, Rotbarsch und Scholle, die Mittelmeer-Renner Wolfsbarsch und Dorade, Lachssteaks oder saisonal auch Miesmuscheln. Thunfisch in Sushi-Qualität, Seeteufelschwänze oder frische Jakobsmuscheln können jederzeit bestellt werden. „Vor einigen Jahren hätte uns kein Mensch geglaubt, dass wir heute in der Fischerzeile Austern und Jakobsmuscheln verkaufen“, amüsiert sich Michaela Wagner.

Die Räucherware kommt aus dem eigenen Holzofen, den Christine Wagner, die Mutter des Fischhändlers, betreut. Seit mehreren Jahrzehnten wird hier beispielsweise schottischer Lachs veredelt. Geräuchert werden neben den Klassikern Makrele, Heilbutt und Stremellachs auch heimische Arten wie Forelle, Saibling und Wels. Die Buchenholzspäne stammt aus dem Wagner‘schen Wald: die Familie bewirtschaftet mehrere Hektar. Schon aus Kostengründen sind Experimente wie das Räuchern über der Späne gehäckselter Jack Daniels Whisky-Fässer eine Ausnahme: „Das schmeckst Du zwar schon – aber das Kilo Späne kostete etwa 10,- Euro, bei uns im Wald kostet es nur unsere Arbeitskraft.“ Bei Fischsalaten wird aus Platzgründen nur ein kleines, wöchentlich wechselndes Sortiment in abgefüllten Bechern angeboten: mehrere Heringssalate, ein leichter, mit Essig und Öl angemachter Meeresfrüchte-Cocktail, Gambas in Knoblauch-Kräuter-Öl, außerdem vor Ostern und zu Weihnachten ein paar ausgefallene Varianten. Hersteller ist die bayerische Delikatessen-Manufaktur Kugler Feinkost (Vaterstetten).

„Fischwürstl“ aus Donauweißfisch

Zu einer in der Region bekannten Spezialität ist die Wagner‘sche Fischwurst geworden. „Eigentlich ist es ein Frikadellenteig, aber es ist leichter, eine Wurst zu drehen als ein Pflanzerl [Fischfrikadelle – die Red.] zu formen“, begründet Michaela Wagner die längliche Form. Fischbasis sind Weißfische aus der Donau: Brachsen, Ruten oder Nasen und – wenn der Fluss nicht genug liefert – außerdem TK-Seelachs. Das durch den Wolf gedrehte Filet wird mit Semmel, Salz, Pfeffer und Petersilie gemischt, mit Milch gebunden und in der Friteuse ausgebacken. Geformt werden die Fischwürste inzwischen schon in der Wurstpresse – denn bei einer Menge von jährlich einer bis eineinhalb Tonnen ist reine Handarbeit zu aufwendig. Im Laden werden die 90g-Würste in 5er-Packungen tiefgefroren verkauft. Und, wie gesagt, die Region Vilshofen kennt die Würste: auch beim Fischessen 2012 der Freiwilligen Feuerwehr Sandbach stand den „lieben Feuerwehrkameraden“ zur Auswahl unter anderem „Fischwurst Stück 1,10 Euro von der Fischerei Wagner in Vilshofen“.

Snacks und Backfisch im Restaurant-Zelt

‚Der Fischladen‘, Vilshofen
16 Flusskilometer Donau bewirtschaften die Wagners.
Auch einen Mittagstisch bietet der Fischladen an. Schon die Eltern hatten traditionell am Freitag Backfisch zubereitet, den die Kunden in Papier eingewickelt nach Hause mitnahmen. Ein Freund aus der Branche empfahl den Wagners, auch Tellergerichte anzubieten. Was bei den beiden zunächst auf Skepsis stieß – „Wir sind doch in der Fischerzeile!“ – wird von den Vilshofenern gut angenommen. In einem beheizten Zelt neben dem Geschäftseingang laden mehrere Tische zur Mittagspause ein. Das Angebot auf der Speisekarte ­beginnt mit einem Dutzend Snacks – vom Räucherlachs-Sandwich (2,60 Euro) bis zum geräucherten Aal mit Sahnemeerrettich (9,50 Euro) – und bietet ebensoviele gebackene ganze Fische (Preis/100g) und Fischfilets (Portionspreise). Das meiste kann für einen Discount von etwa zehn Prozent auch mitgenommen werden. Da das Gastroangebot so gut läuft, soll das Zelt in zwei bis drei Jahren einem richtigen kleinen Restaurant weichen, kündigt Heinrich Wagner an.

Moderner Verkaufsanhänger für Volksfeste

Der Blick auf den Wagner‘schen Fischladen und Imbiss lässt eine weitere Vertriebsschiene vergessen, die für die Großeltern-Generation zentral war und die heute noch ein wichtiges Standbein darstellt: Volksfeste. „Meine Großeltern haben jährlich 14 Volksfeste ausschließlich mit Donaufisch bestückt, zu einer Zeit, als es überwiegend Weißfisch und kaum Zander gab“, erinnert Heinrich Wagner. Eine Abbildung auf der Internetseite des Ladens zeigt noch die rustikale Hütte der „Fischbraterei Wagner“, die bis 2012 im Einsatz war. „Da brauchtest Du fast die Bundeswehr zum Auf- und Abbauen“, erinnert er an das massive Vollholzobjekt.

Seit vergangenem Jahr hat ein moderner Verkaufsanhänger die Nachfolge angetreten. Für den Sonderfahrzeugbau Hecker in Rotthalmünster gilt der anthrazitfarbene Hänger in puncto Design als Referenzprodukt. Nach dem Aufbau sieht er wie ein fester Container aus: die Deichsel ist abnehmbar, das Dach mit vier Schnellverschlüssen fährt hydraulisch hoch. Die Front zum Publikumslauf ist ein Schmuckstück: die Thekenfront ist eine beleuchtete Glasscheibe von vier Quadratmetern, die sandgestrahlt das Logo des Fischladens trägt. Quasi als Pendant steht ein entsprechend beleuchtetes Logo-Schild auf dem Dach. Die LED-Leuchten besitzen Farbwechsler. Innen ist der Verkaufsraum großflächig mit schwarzer Tafelfolie beklebt, mit Kreide zu beschreiben. An der Rückwand läuft, wie im Fischladen auch, auf einem Bildschirm der Film „Deep Blue“. Im hinteren Bereich des Hängers entsteht ein separater Produktionsraum: der Boden klappt heraus, wird mit einer Lkw-Plane verhängt, zu betreten durch eine Tür. Die Fläche bedarf nur noch der Möblierung.

Präsent auf „hochwertigen Volksfesten“

Mit dem Wagen beschicken die Wagners insbesondere hochwertige Volksfeste wie beispielsweise das bisherige „Jazz an der Donau“, das ab 2013 „Blue­tone“ heißt. „Das ist ein wertiges Fest, wo wir mit unserem schönen Wagen auch dazupassen“, begründet Michaela Wagner die Auswahl. Man wolle nicht auf irgendeine Großveranstaltung, bei der „jeder isst, wo er gerade steht, egal, welche Qualität er bekommt“. Zum eigenen Imbiss-Angebot zählen die Fischwürste, wahlweise separat oder im Brötchen, eine Fisch-Semmel (Bismarckhering) und eine Lachs-Semmel (Seelachs-Schnitzel), eine Backfisch-Semmel (Seelachs im Bierteig), außerdem Fish & Chips (Seelachsstreifen im Bierteig) sowie Steakhouse-Pommes. Eine typisch süddeutsche Volksfest-Spezialität, der Steckerl-Fisch, sei hingegen – anders als etwa in München – im Raum Vilshofen gar nicht gefragt. An den Adventswochenenden 2012 verkauft das Ehepaar auf dem „Schwimmenden Christkindlmarkt“ in Vilshofen, einem der reizvollsten Weihnachtsmärkte Deutschlands – zum eigenen Bedauern jedoch nicht im ansprechenden neuen Anhänger. Der Hintergrund: der Markt sollte noch uriger werden, den Händlern wurden standardisierte Holzhütten zur Verfügung gestellt. Für die Wagners ist klar: mit dem ansprechend beleuchteten, auffälligen Verkaufsanhänger wäre der Umsatz ein anderer. bm

Beste Direktvermarktung des Jahres 2013
Der Fischladen
Fischerzeile 5
94474 Vilshofen
eMail: info@der-fischladen.com
Internet: www.der-fischladen.com
Telefon: 08541/?39?51
Telefax: 08541/?73?70
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