Geschmaxpiraten im Edeka Hauschildt - Bestes Fisch-Gastro-Konzept 2019
Geschmaxpiraten, Flintbek

Geschmaxpiraten, Flintbek

„Viele Gäste werden mit uns experimentierfreudig“

Vom Selbstverständnis sind die Geschmaxpiraten eher ein Bistro mit umfangreicher Fischtheke als ein Fischgeschäft mit Gastrobereich. Denn was Jan Bracker dank seiner Erfahrung aus der Sterne-Gastronomie den Bistro-Gästen serviert, besitzt ein beachtliches Preis-Leistungsverhältnis. Das in Rendsburg langjährig erprobte Konzept funktioniert offenbar auch in dem 7.250 Seelen-Ort Flintbek bei Kiel.

Es liest sich wie die Speisekarte eines Sterne-Restaurants: da gibt es Steinbeißer im Blätterteig mit Erbsensauce, Schmorkohl, Schupfnudel und Röstzwiebel, Piccata vom Wels mit Tomatenkompott, Spinat und scharfem Reis oder gebratenes Zanderfilet mit Gemüsebulgur, Apfel-Birnen-Chutney, Rauke und Mandel. Oder aber einen Kabeljau mit Zitruskruste, dazu Ratatouille, Kirschtomate und Mandelgnocchi, gebratene Garnelen mit pikanter Tomatenpasta, Spinatlaub, Mandel und Parmesan oder Seelachs in Kräutern gebraten mit Zucchini, Pilzen und Tomatenreis. Alle diese Gerichte servierten die Geschmaxpiraten in ihrem neuen Bistro im Edeka-Markt Hauschildt in Flintbek bei Kiel. Und die Essen hatten eines gemeinsam: sie standen auf der Tageskarte des neuen Bistros zum Preis von 7,- Euro.

Die holsteinische Gemeinde Flintbek liegt etwa 20 Autominuten südlich von Kiel. Der örtliche Edeka-Markt bildet quasi das Dorfzentrum. Vor vier Jahren hatte Marco Hauschildt den ehemaligen E neukauf Albrechtsen übernommen und im vergangenen Jahr von Grund auf umgebaut, modernisiert und um 450 Quadratmeter erweitert. Mit im Boot: die Geschmaxpiraten, mit denen Hauschildt bereits seit neun Jahren am Hauptsitz in Rendsburg kooperiert. Dort hatten die „Piraten“ – Jan Bracker und seine Frau Stephanie Bracker-von Khuon-Wildegg – bereits 2010 im Vorkassenbereich eine Kombination aus Fischtheke und Bistro eröffnet, die sich schnell erfolgreich etablierte.

Start mit fünf Köchen

Geschmaxpiraten, Flintbek
Die über sieben Meter lange Fischtheke der Geschmaxpiraten darf im Fischbereich als technische Innovation gelten: die Kühltheke des Kulmbacher Ladenbauers Schrutka-Peukert ist nahezu komplett geschlossen.
Hier in Flintbek grüßt das Bistro der Geschmaxpiraten gleichsam den ankommenden Kunden: rechts vom Markt-Eingang beherbergt ein vollverglaster Anbau mit Wintergarten-Charakter den Gastrositzbereich. „Wir haben versucht, die besten Ideen aus Rendsburg mitzunehmen und geschaut, was wir an den Abläufen verbessern konnten“, beschreibt Jan Bracker das Konzept, das gestalterisch der Architektur in Rendsburg ähnelt, „die Küche mit Arbeitsbereich, dem heißen Bereich und den Lagern ist genau gleich.“ Während die Geschmaxpiraten in Rendsburg vor neun Jahren mit nur zwei Köchen anfingen, arbeitete Jan Bracker hier in Flintbek von Anfang an mit fünf Köchen und einer Küchenhilfe. „Das ist schon sportlich“, räumt er mit Blick auf die Personalstärke ein, „aber in Rendsburg sind wir am Rande des Wahnsinns gewesen. Wir haben gleich ein, zwei mehr eingestellt, weil wir von der Fluktuation wussten.“

Bistro mit Niveau

Bei der Personal-Akquise standen die Brackers vor einer gewissen Herausforderung. „Wir haben vielleicht etwas falsch gemacht mit dem Titel ‚Bistro‘“, meint Stephanie Bracker, „Jan war die Bezeichnung immer wichtig, weil das Wort aus dem Französischen kommt und bedeutet: kleine Karte und immer wieder frisch. Hier in Deutschland hingegen versteht man unter einem Bistro mittlerweile etwas Ähnliches wie einen Imbiss und das ist ein bisschen abwertend. Die Gäste können das inzwischen richtig einordnen, aber Köche, die uns nicht kennen, bewerben sich nicht bei uns.“ Eine Ausnahme ist Christian Becker, ehemals Küchenchef in einem Fünf-Sterne-Haus in Hannover. „Er ist über meinen Lebenslauf gestolpert, gar nicht mal über unser Konzept“, erinnert sich Jan Bracker. Denn der Geschmaxpirat hatte nach einer Ausbildung im Lübecker Sterne-Restaurant „Wullenwever“ in einem Schweizer Zwei-Sterne-Restaurant gekocht, arbeitete anschließend in einem ebenfalls mit zwei Sternen ausgezeichneten Restaurant im französischen Straßburg, um dann ein Studium an der Hotelfachschule Heidelberg aufzusatteln. Aus dieser Biographie, sagt Bracker, habe der angehende qualifizierte Mitarbeiter gefolgert: „Wenn die beiden sagen, das ist was für die, dann muss da mehr hinter stecken als Schweinebraten und Backfisch.“

„Wollen nicht, dass es immer das Gleiche ist“

Das Konzept findet bei den Flintbekern große Akzeptanz. „Wir geben 60 bis 140 Essen pro Tag aus, im Schnitt etwa 80. Und 80 Prozent unserer Besucher sind Stammgäste, die schon gar nicht mehr gucken, was es gibt“, freut sich Jan Bracker. Die Tageskarte ist vielfältig. „Andere leben von ihrer Konstanz, davon, dass es immer gleich aussieht. Wir wollen gerade nicht, dass es immer das Gleiche ist“, betont er. Dabei sind es oft nur Modifikationen: „Wir haben etwa einen Kabeljau mit Kokoskruste in Mandarine: das eine Mal lege ich die Mandarinenscheiben als Filets daneben oder oben drauf, dann mache ich mal eine Mandarinen-Vinaigrette und dazu mal nicht ein Kokosrisotto, sondern ein Fenchelrisotto mit gehobeltem Kokos oben drüber.“

Kommt gelegentlich eine Kundenfrage: „Habt Ihr nicht auch mal einen Seelachs in Dillsauce?“, folgt die diplomatische Antwort: „Ja, ich kann mir das mal aufschreiben, aber heute gibt es Welsfilet in Kornflakespanade mit Graupenrisotto und Rote Bete-Vinaigrette. Viele Gäste werden mit uns experimentierfreudig.“ Allerdings gibt es bei den Geschmaxpiraten auch Klassiker, wenn auch oftmals leicht abgewandelt, wie die ganze Scholle mit Zitronenbutter, dazu Salat und „lütte Kartoffeln“, Piraten-Pannfisch mit Senfsauce, Dampfkartoffeln und Gurkensalat oder den Piraten-Backfisch auf Kartoffel-Gurken-Tomaten-Salat und Vinaigrette.

Neben den Gerichten von der Tageskarte können sich die Bistro-Gäste auch alles zubereiten lassen, was die angeschlossene Frischfisch-Theke hergibt: neben Lachs und Makrele, Dorade und Doradenfilet, Black Tiger-Garnelen, Oktopus und vielem mehr liegt dort ein hochwertiger Weißer Heilbutt aus Island mit Filets von vier bis fünf Zentimetern Dicke. Selbst die Langustenschwänze gehören zum Standardsortiment, sagt Jan Bracker: „Von Donnerstag bis Samstag verkaufen wir mal ein bis zwei.“ Regionales stammt von Brauers Aalkate, deren neue Inhaber, Fischwirtin Claudia Pfalzgraf und Fischermeister Thomas Philipson, direkt am Nordostsee-Kanal Forellen züchten, aber auch Heringe und Zander aus Kanalfischerei anbieten. Ein wichtiger Lieferant für das Frischfischsortiment ist der Fischgroßhandel Eduard Wiese & Ivens Kruse, seit 70 Jahren am Kieler Seefischmarkt ansässig. Frischfischumschlag im Tagesgeschäft ist die Kernkompetenz des Handels von Inhaber Dirk Schrader.

Weißer Heilbutt als Mittagstisch

Aus dem Sortiment der Frischfischtheke werden auch tagesaktuelle Angebote für das Bistro erstellt. „Wir kombinieren gerne mal zwei Fische, um die Leute ans Sortiment heranzuführen“, erklärt Jan Bracker: „Manchmal haben wir noch fünf Makrelen, also zehn Filets. Da ein Filet zu klein ist für eine Portion, bieten wir eine Kombi aus Lachs und Makrele an und erhalten auf diese Weise zehn Portionen. Dann muss ich nicht nach fünf Portionen die Karte neu schreiben.“ Dabei bieten die Geschmaxpiraten ein teils beachtliches Preis-Leistungsverhältnis. „Wenn ich eine 200g-Portion Steinbeißer oder Weißen Heilbutt klassisch durchkalkulieren würde, müsste der Teller 35,- Euro aufwärts kosten. Wir hingegen kombinieren 100g Weißen Heilbutt mit einem günstigeren Fisch, etwa Schwarzem Heilbutt. Das passt: der erstere ist unheimlich fest und fleischig, der letztere saftig durch seinen hohen Fettgehalt.“ Das Ergebnis sei ein Gericht für 15,- Euro, sagt Bracker: „Für einen Mittagstisch sicherlich viel Geld, aber für das, was es gibt, ist es sehr, sehr wenig.“ Auch frischer Thunfisch wird als Bistro-Gericht günstig angeboten: „Wenn Sie in der Kieler Gastronomie einen frischen Thunfisch für unter 25,- Euro finden, dann sagen Sie mir Bescheid! Wir verkaufen ihn für 15,- Euro.“

Um die Marktkunden an die Vielfalt maritimer Genüsse heranzuführen, veranstalten die Geschmaxpiraten auch immer wieder Themenabende. Was am Standort Rendsburg schon jahrelange Tradition besitzt, sollte im Dezember 2018 erstmals im neuen Bistro in Flintbek umgesetzt werden. In Rendsburg gab es Abende unter so launigen Titeln wie „Lax ist in der kleinsten Hütte“ – ein exquisites Lachs-Menü in vier Gängen – oder „Einfach flunderbar“, wobei hier dreierlei vom Thunfisch, eine geeiste Gurkensuppe mit Hummer & Tomaten Crossini sowie eine Roulade von Rotzunge & Jakobsmuschel mit Spargel-Risotto & Safransauce den marinen Schwerpunkt bildeten. Allerdings beschränken sich die Brackers nicht auf Seafood-Themen. In Flintbek wurde die Reihe der Themenabende mit einem Abend „Rund ums Rind“ eingeläutet, doch schon die folgenden Veranstaltungen drehen sich wieder um den Fisch: „Darf‘s ein bisschen Meer sein?“ und „1-2-3 Skrei!“.

Erfolg mit Seafood Star-Menüs

Geschmaxpiraten, Flintbek
Neben den Gerichten der Tageskarte können sich die Bistro-Gäste zubereiten lassen, was die Frischfisch-Theke hergibt: Makrele und Lachs mit Kartoffel-Gurken-Tomaten-Salat und Rote Bete-Vinaigrette, Thunfisch mit Zitronenrisotto, glaciertem Radieschen und Rauke sowie Kabeljau und Garnele mit Ratatouille und Pasta.
Die Verleihung des Seafood Stars 2019 wollen die Geschmaxpiraten ebenfalls zum Anlass für einen Menüabend nehmen, kündigt Jan Bracker an. Dieser Aufhänger hatte sich schon nach Verleihung des Seafood Stars 2013 für den Standort Rendsburg als erfolgreich erwiesen. Damals gab es Dreierlei vom Thunfisch mit Avocado, Meeresalgen & Sesam, gefolgt von einer geeisten Gurkensuppe mit Hummer & Tomaten-Crostini und einer Roulade von Rotzunge & Jakobsmuschel mit Spargel-Risotto & Safransauce. Jan Bracker erklärte den Tischgästen, was es mit dem Seafood Star auf sich habe, außerdem lag der mehrseitige Artikel aus dem Seafood Star-Sonderheft aus und der Pokal stand mitten im Raum. Aufgrund des großen Interesses folgte keine zwei Monate später ein zweites Seafood Star Menü. Unter dem Motto „Ein Fisch kommt selten allein“ konnten die Gäste ein Lachsfilet mit Pfefferkruste, confierte Seeteufelbäckchen und gebratenes Meeräschenfilet mit kreativen Beilagen genießen. Nicht zuletzt diese Themen- und Menü-Abende befruchten den Edeka-Hauptmarkt, sagt Marco Hauschildt: „Durch das Pushen besonderer Fleisch- und Fischsorten laufen anschließend Dinge, die sich vorher schwergetan haben.“ Das gelte beispielsweise für Weine des baden-württembergischen Bioweinguts Lorenz, die im Bistro der Geschmaxpiraten ausgeschenkt werden.

„Schon Umsätze wie momentan in Rendsburg“

Gut ein Vierteljahr nach Eröffnung der Geschmaxpiraten-Filiale in Flintbek ziehen die Brackers eine überaus positive vorläufige Bilanz. „Wir sind mit den Umsätzen so ‚was von zufrieden“, konstatiert Jan Bracker, „wir sind bei den Rendsburger Umsätzen, die wir dort momentan haben.“ Dafür mag es mehrere Ursachen geben. Schon immer sei der Edeka-Markt Dreh- und Angelpunktes des Ortes gewesen. „Wir sind super aufgenommen worden“, freut sich der Fischgastronom: „In Rendsburg haben die Leute geguckt, waren begeistert, haben gesagt: ‚Das sieht ja toll aus - viel Glück!‘ Hier in Flintbek kommen die Leute, sagen: ‚Oh, das sieht ja toll aus, ich nehm‘ das, das, das und das - und viel Glück!‘“ Viele Flintbeker verdienen ihr Geld in der nahen Landeshauptstadt und geben es am Wohnort aus. Schließlich ist aber auch zu vermuten, dass die Geschmaxpiraten von ihrem guten Ruf profitieren, den sie sich in acht Jahren offenbar nicht nur im 43 Kilometer entfernten Rendsburg, sondern in der gesamten Region erarbeitet haben. bm


Bestes Fisch-Gastro-Konzept des Jahres 2019
Geschmaxpiraten im Edeka Hauschildt
Dorfstraße 14
24220 Flintbek
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